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Holstein-Mentaltrainer Mathias Fauth (57) über Stress und Leistungsdruck im Storchennest

Der Leistungsfußball ist in den vergangenen Jahren immer vielschichtiger geworden. Genauso wichtig wie die Leistung auf dem grünen Rasen erscheint inzwischen die Psyche der Sportler, denn die "Kopfsache" entscheidet auf dem Platz über Sieg oder Niederlage. Immer häufiger nehmen Vereine die Unterstützung von Mentaltrainern und Psychologen in Anspruch, um mittels Mentaltraining ihre Spieler noch gezielter auf den Spielbetrieb vorzubereiten, aber auch Problemstellungen abseits des grünen Rasens besser lösen zu können. Mentales Fußballtraining ist dabei ab jeder Altersklasse möglich und sinnvoll - je früher der Nachwuchs seine mentalen Kräfte kennen lernt und die notwendigen Methoden dafür an die Hand bekommt, um Wohlbefinden, Selbstbewusstsein und Leistung zu fördern, desto umfassender profitiert er im Lauf seines (Sportler-)Lebens davon.

Der Blick von außen

Auch die KSV Holstein setzt in der individuellen Betreuung ihrer Leistungsfußballer im Junioren- und Seniorenbereich auf die Unterstützung eines Mentaltrainers. Seit dem Beginn der Saison 2014/15 arbeitet der heute 57-jährige Sportpsychologe Mathias Fauth im Storchennest. "Meine Aufgabe ist es, Trainer, Spieler und auch Personen aus dem weiteren Vereinsumfeld so zu unterstützen, dass sie ihre Arbeit gut ausfüllen und sich optimal auf ihre Aufgaben konzentrieren können - vor allem dann, wenn bestimmte Schwierigkeiten auftreten", meint Fauth. "Für die Sportler ist es wichtig, auch mal mit einer Person zu sprechen, die nicht im direkten Wettbewerb steht, sondern einen Blick von außen hat - und sich trotzdem im Bereich Fußball auskennt", erklärt der gebürtige Schleswig-Holsteiner. Und das betrifft Spieler aus allen Leistungsmannschaften bei Holstein Kiel.

Struktur in Zeiten von Corona

Viele Jugendliche leiden momentan unter der Fußball-Zwangspause. Im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) der KSV Holstein wird versucht, den Talenten weiterhin eine gewisse Struktur anzubieten. Videokonferenzen mit den Trainern, Online-Kurse mit den Athletikcoaches und natürlich auch individuelle Laufeinheiten im Privaten kennzeichnen zurzeit den sportlichen Alltag der Jungstörche. "Was fehlt, sind die gewohnten Ziele, am Wochenende um Punkte zu kämpfen und Erfolge anzustreben", nennt Mathias Fauth ein Hauptproblem. Fauth hat in den Gesprächen mit den Fußballern bei Holstein Kiel den Eindruck gewonnen, dass die Spieler und Trainer trotz der Lage gut aufgestellt sind. "Natürlich hoffen wir alle auf eine baldige Rückkehr zu den normalen Abläufen, denn die Arbeit mit Jugendlichen ist ungemein erfüllend. Es hat sich auch in Zeiten von Corona gezeigt, dass die Trainer bei der KSV motiviert, reflektiert und sehr gut organisiert sind, um den Fußballern auch unter diesen schweren Bedingungen eine möglichst optimale Förderung zukommen zu lassen", lobt Fauth die Übungsleiter im NLZ.

Das Drumherum fehlt

Hinsichtlich der Profi-Abteilung der KSV Holstein, die weiterhin voll im Spielbetrieb steht, sieht Fauth eher einen Ansatzpunkt in der Struktur rund um den Wettbewerb. "Das Drumherum fehlt natürlich komplett, dass die Fans die Spiele im Stadion herbeisehnen und die ganze Stadt an Spieltagen in Bewegung gerät. Das bekommt natürlich unter normalen Umständen jeder mit. Wie es ein Spieler treffend formulierte: "Die Niederlagen tun genauso weh, aber die Siege fühlen sich mit den Fans einfach noch schöner an!", berichtet Fauth.

Zwei Seiten des Erfolges

Momentan stehen die Profis der KSV unter einer Mehrfachbelastung. Die persönlichen Einschränkungen, die auch vor den Familien der Profifußballer nicht Halt machen, sowie die sportliche Doppelbelastung mit Liga- und Pokalwettbewerb sorgen für zusätzliche Herausforderungen. Dazu Fauth: "Die Erfolge in Liga und Pokal haben immer zwei Seiten. Auf der einen Seite ist da die körperliche und psychische Mehrbelastung zu nennen mit zahlreichen Englischen Wochen. Vor allem wenn man, wie zuletzt gegen Bayern und Darmstadt, zweimal über 120 Minuten plus Elfmeterschießen gehen muss. Auf der anderen Seite sorgen die derzeitigen außergewöhnlichen Erfolgserlebnisse für zusätzlichen Schub."

Innerer und äußerer Druck

Aber nicht nur für Fußballer hat Mathias Fauth gute Ratschläge parat. "Grundsätzlich geht es für uns alle darum, erst einmal zu schauen, in welchen Situationen wir Druck verspüren und dann zu analysieren, ob es zu hohe Erwartungen von anderen oder an mich selbst sind, die den Stress bei mir erzeugen. Zu überprüfen, was andere genau von mir erwarten, und ob ich das, was andere oder ich selbst von mir erwarte, aktuell mit meinen persönlichen Voraussetzungen erfüllen kann, ist beim Umgang mit Druck förderlich", so Fauth.

Wichtige Bedeutung

Der Arbeitsbereich von Mathias Fauth besitzt im Storchennest eine hohe Wertschätzung. Björn-Oliver Schmidt, Organisatorischer Leiter im NLZ, meint anerkennend: "Wir wollen mit Mathias neben der fußballerischen Ausbildung auch die Persönlichkeitsentwicklung im Auge behalten. Hier ist vor allem auch der Umgang der jungen Spieler mit Erfolg und Misserfolg hervorzuheben. Der Umgang mit den Jungs und auch die Einbindung des Mentaltrainers in den Trainingsbetrieb ist für uns von großer Bedeutung." Auch Ligatrainer Ole Werner ist von Fauths Arbeit angetan: "Mathias ist immer ein angenehmer und offener Gesprächspartner. Vor allem in all den Jahren der Zusammenarbeit mit der U23 habe ich mit ihm viele positive Erfahrungen machen dürfen."

Komplexes Arbeitsfeld

Auch nach fast sieben Jahren bei den Störchen brennt Mathias Fauth noch immer für seine Aufgabe: "Mein Herz schlägt für den Fußball, und wenn ich mit Spielern und Trainer zusammen sitze oder das Training beobachte, dann kann ich Dinge gut nachvollziehen. Gerade das Arbeitsfeld heutiger Trainer ist sehr komplex und die Ansprüche an Leistungssportler sind hoch. Das empfinde ich für meine Arbeit als sehr motivierend."